Ein erster Advent in Prag. Von Pfauen, Schnee und Apfelbäumen.

Prag ist sommers wie winters voll von Touristen, so wie auch ich einer bin. Staunend läuft man durch diese Altstadt, deren pastellbunte Häuser bei jeder Temperatur warm und fröhlich wirken. „Seht mich an, wie hübsch ich bin!“ scheint jedes Gebäude zu rufen. „Hast Du meine Stuckverzierungen gesehen? Und die Malerei über meinen Fenstern? Und ganz oben, die Skulpturen? HAST DU DAS GESEHEN??“ Und der Blick springt hin und her oberhalb der bunt beleuchteten Ladenzeilen, im Advent nur gelegentlich abgelenkt von dem durchmatschten Schnee-Eis-Gemisch, das am Boden gleichfalls um Aufmerksamkeit ringt, wenn auch aus anderen Gründen.

Die Touristen sind laut und viele und all die Fröhlichkeit, das Sprachengewirr und der Glühweindampf könnten für einen Moment viel zu viel werden, wenn man nicht wüßte, daß man in Prag jederzeit einfach nur in eine der winzigen Nebengassen abzubiegen braucht und plötzlich weit weg ist von all dem Trubel. Das Aufatmen ist hier immer nur eine Ecke entfernt, und die Fenster sind dann noch kleiner, und der Kerzenschein noch wärmer, und der Schnee ist kein vieldurchlaufener grau-brauner Matsch, sondern knirscht und ist weiß und zuckeridyll.

Hinter einer der Mauern, auf dem Weg zur Prager Burg, liegt ein versteckter Park, den nur wenige kennen. Obstbäume stehen hier auf den Wiesen, die im Spätsommer schwer an ihren Früchten tragen. Die Bänke sind in einem lichten Hellgrau gestrichen und ein Rosenbogen steht auf einer der oberen Terrassen, wo bei Sonnenschein die alten Damen sitzen und die Pfauen füttern, deren es hier viele gibt (Damen wie Pfauen). Sie schreiten unter den Obstbäumen (die Pfauen), als ob Pfau und Apfelbaum auf‘s Natürlichste schon immer zusammengehören, und der Ruf der Vögel, die nicht fliegen können, ist das einzig Laute, das die Stille nur noch mehr betont.

Als „Geheimtipp“ war in einem der Reiseführer dieser Park empfohlen, den angeblich nur die Prager kennen, die entspannt auf Decken sitzend hier lesen, Pfauen schauen oder auf einer der Bänke ihr Gesicht der Sonne zuwenden. Der Reiseführer wurde zum Glück nicht oft verkauft, so scheint‘s, denn tatsächlich verirren sich nur wenige Touristen her.

Und die Stille, die hier herrscht, ist nicht schwer, ist kein Muß, kein Gebot, kein Schweigegelübde, ist nicht erdrückend. Leicht ist sie und weit und jedes Lachen läßt diese Stille zu, das über die Wiesen zieht, sich kurz in den tiefhängenden Ästen verfängt und dann weiterfliegt nach oben ins Blau.

Jetzt, im Winter, ist die Stille weiß und elegant. Die Pfauen ruhen irgendwo (wo Pfauen halt im Winter ruh‘n), die alten Damen nippen in warmen Stuben an heißem Tee und hoffen, daß noch viele Sommersonnentage kommen werden, und ein dick eingemummeltes klitzekleines Kind steht staunend im Schnee, überwältigt von dieser Fülle an Weiß und Knirsch und Schneeballpotenzial.

Der Trubel ist nur eine Mauer entfernt, durch das schmiedeeiserne Tor sieht man auf die Kopfsteinpflastergasse und kann jederzeit hinaus in all die Menschen und Geselligkeit. Die Ruhe im Herzen und im Kopf nimmt man einfach mit, …

So muß es sein, das Leben. ❤️

Noch ein Tipp: Fahrt doch mit dem EC nach Prag, das ist quasi das Pendant zum deutschen ICE bzw. IC. Und im Bordrestaurant gibt es tschechische Küche und tschechisches Bier. (Auf tschechischem Gebiet gelten die Preise als „Happy hour“, sind also reduziert.) Bezahlt werden kann im Bordrestaurant in Euro. Für alle Zugreisenden noch der Hinwes, daß in Tschechien (ähnlich wie in Frankreich) das Gleis, von dem aus der Zug in Prag startet, erst einige Minuten vor der Abfahrt fest steht und über die Anzeigetafeln im Bahnhof bekannt gegeben wird. Der EC fährt zum Beispiel von Leipzig, Dresden oder Berlin nach Prag … und natürlich auch retour. Gebucht werden kann er ganz normal auf der Seite der Deutschen Bahn.

(Bilder vom Pragbesuch am 3.12.2023 – 1. Advent)